Siebenwinde – dieses Gaunernest, das ich so liebe und gleichzeitig hasse – wird mir bis an mein Lebensende als ein Ort in Erinnerung bleiben, der wohl niemandem völlig egal sein kann. Licht und Dunkelheit, Güte und Boshaftigkeit hatten hier Platz, genau wie Hinterhältigkeit und Heldenmut. Man mochte über Siebenwinde sagen, was man wollte, aber langweilig wurde es nie in Ser Ades Lehen.
In der vorletzten Nebelernte hatte hier das große Turnier zur Knappenwahl stattgefunden, und es hatte sogar zwei Gewinner gegeben. Abgesehen vom Baron waren damals alle hohen Herrschaften von Rawald in der Stadt gewesen. Außerdem waren zusätzliche Freudenmädchen und -jungen angekommen. Und Handwerker. Und Händler. Und ausländisches Volk, das mit einem seltsamen Akzent sprach. Die Stadt hatte pulsiert. Die Menschen hatten gejubelt und ihre Lieblingskandidaten angefeuert.
Ein Jahr danach hatte sich das Gesicht der Stadt grundlegend verändert. Ser Ade war spurlos verschwunden gewesen und ein Streit war darüber entbrannt, wer in seiner Abwesenheit die längst fälligen Entscheidungen in der Stadt treffen sollte: Adel, Kirche oder Volk. Schließlich war die Stimmung immer gereizter geworden, und dann hatten sogar Attentate stattgefunden. Für den Adel hatte es Gift gegeben. Auf die Priester der Gweros-Kirche hatten Messer in der Dunkelheit gelauert. Für die Volksvertreter hatte es nur noch das Heil in der Flucht gegeben. Und heimlich hatten die Schlangen in den Schatten der Stadt gekichert.
Doch als die Stunde am dunkelsten gewesen war, war endlich das lang ersehnte Licht am Horizont erschienen: Ser Ade, der Treue, hatte seine Rükkehr angekündigt.
Zur Zeit der Saatsonne würde der Ritter nach einer langen Reise in den Süden wieder in seiner Stadt ankommen. Und mit ihm würde gewiss auch die Harmonie zurückkehren. Alle Geschäfte würden geregelt, alle Sorgen würden gehört werden.
Doch zunächst einmal gab es anlässlich seiner Heimkehr ein Fest.
Wenn ich aufschreiben sollte, was bei jenem Fest geschehen ist, dann würde ich vermutlich so beginnen: In der Ferne sangen die Postboten ein raues Lied. Im Haus der Blumen brannte das rote Licht unentwegt. Die alte Mende und die bucklige Berta saßen mit Decken über den Knien am Wachfeuer, obwohl eigentlich schon längst ihre Schlafenszeit war. Am Hafen lachte einer der Flussleute auf, und alsbald fiel das kreischende Gegacker einer betrunkenen jungen Frau mit ein. Überall war Musik. In dieser Nacht lag etwas Besonderes in der Luft. Selbst jene Stadtwachen, die Dienst hatten, tranken ihren Teil vom Südwein, den Ser Ade von seiner abenteuerlichen Reise mitgebracht hatte. Siebenwinde war ein einziges gemeinsames Fest.
So würde ich es schreiben, weil man es sich genau so vorstellt. Doch die Wahrheit ist, dass sich bis heute niemand vollkommen an die Ereignisse dieser Nacht erinnern kann. Einig sind wir, die wir am Fest teilgenommen hatten, nur über eines: Wir waren allein durch unsere Anwesenheit von einer größeren Geschichte berührt und vor die Wahl gestellt worden, ob wir stille Beobachter oder aktive Teilnehmer sein wollten.

Autor unbekannt